Versöhnung – Christlich-Jüdisch

Versöhnung durch Aufarbeitung der Kirchlichen Entscheidungen

Versöhnung – Als ich mich mit der Geschichte des Konzils von Nizäa beschäftigte, wurde mir bewusst: Hinter den großen dogmatischen Errungenschaften steht auch eine Geschichte, die wir nicht verdrängen dürfen. Wie kann es sein, dass an einem der wichtigsten Momente der Kirchengeschichte zugleich eine Abkehr vom jüdischen Volk stattfand, die bis heute nachwirkt? Diese Frage hat mich persönlich bewegt und angetrieben, mich für eine tiefere Versöhnung einzusetzen.

Das Konzil von Nizäa (325 n.Chr.) markiert zwar einen entscheidenden Meilenstein der christlichen Dogmengeschichte, da es erstmals das Glaubensbekenntnis formulierte und die Gottheit Christi gegen die arianische Lehre bekräftigte. Doch neben dieser großen theologischen Klärung birgt es auch eine dunkle Seite, die bis heute nachwirkt: Unter dem Einfluss Kaiser Konstantins wurden Juden faktisch aus der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen.

Diese Exklusion widerspricht fundamental dem Geist des Neuen Testaments, in dem die Kirche als die neue, universale Gemeinschaft Gottes verstanden wird – eine Familie, die aus Juden und Heiden gleichermaßen besteht (vgl. Apostelgeschichte 15, Petrus und Paulus). Der erste Apostelkonzil zeigte die radikale Öffnung der Kirche, als das Evangelium allen Menschen, auch den Heiden, zugänglich gemacht wurde. Die spätere Abgrenzung der Juden durch das Konzil von Nizäa widersprach dem biblischen Auftrag der Versöhnung und Einheit aller Völker in Christus (Eph 2,14-16).

Diese kirchlichen Fehlentscheidungen sind nicht nur historische Irrtümer, sondern stellen eine schwere Sünde dar, da sie das Volk Gottes gespalten, verachtet und verurteilt haben. Die Folge waren Jahrhunderte von antijüdischen Ressentiments, die sich in Hetzreden wie denen des Johannes Chrysostomos und in der Zeit der Reformation durch Martin Luther fortsetzten. Diese Haltung steht im Widerspruch zum Wesen Gottes, der „barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte“ ist (Ex 34,6) und dessen Bund mit Israel unauflöslich bleibt (Röm 11).

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) leitete mit Dokumenten wie Nostra Aetate eine grundlegende Neubewertung und Versöhnung ein, in der die Kirche das Judentum als „älteren Bruder im Glauben“ ehrt und Antisemitismus verurteilt. Doch trotz dieser wichtigen Schritte fehlt bis heute eine formelle, theologische Revision jener antijüdischen Entscheidungen der Kirchengeschichte, die noch immer Schatten werfen. Ebenso wenig hat die lutherische Kirche eine umfassende Umkehr hinsichtlich der antijüdischen Passagen ihrer Geschichte vollzogen.

Theologisch gesehen verlangt die christliche Berufung zur Versöhnung mehr als bloße politische Korrekturen: Sie fordert eine tiefe Buße, eine Erneuerung des Geistes und eine klare Hinwendung zum biblischen Fundament der Kirche als einem Volk, das aus allen Nationen versammelt ist (Offb 7,9). Die Versöhnung zwischen Christen und Juden ist somit nicht nur ein gesellschaftliches Anliegen, sondern eine Glaubensfrage, die das Wesen des Evangeliums berührt.

Vor diesem Hintergrund versteht sich das Laienapostolat der Göttlichen Barmherzigkeit (LADM) als Teil dieser versöhnenden Bewegung. Wir wollen theologisch fundiert aufklären, die unaufgearbeiteten Wunden benennen und durch Gebet, Bildung und Dialog Brücken bauen – im Geist Christi, der gekommen ist, „den Menschen Frieden zu bringen, fern von Feindschaft“ (Eph 2,14).

In Treue zum Evangelium und zur Geschichte der Kirche sind wir dazu berufen, jene Worte des Apostels Paulus ernst zu nehmen: „Wenn möglich, so viel an euch liegt, haltet mit allen Menschen Frieden“ (Röm 12,18). Versöhnung ist der Weg, auf dem sich die Wahrheit Gottes in der Geschichte wieder heilvoll offenbart.